Der Lieblings-Weinlieferant und -erzeuger meiner Familie, das Weingut Amlinger & Sohn (www.amlinger.de) residiert in dem kleinen Weinort Neef zwischen Cochem und Bullay und hat neben meinem Lieblingswein immer noch das eine oder andere gute Tröpfchen am Start. Fährt man von Neef aus ein kleines Stück weit die Mosel hinab findet man auf der linken Seite den Bremmer Calmont, den angeblich steilsten Weinberg Europas. Vor zwei Jahren kannte ich den auch noch nicht, doch dann bekam ich den Namen zum Ersten Mal anlässlich einer abendlichen Schiffstour auf der Mosel zu hören. Vor einem halben Jahr empfahl man mir dann doch einmal den vielgerühmten Klettersteig, der sich durch diesen Weinberg windet, zu begehen. Dies sei für mich als Wanderer eine willkommene Herausforderung im Gegensatz zu den "Rollator-Touren" die ich sonst so zu gehen pflegte. Ein wenig schockiert bis amüsiert über diese flapsige Aussage legte ich den Calmont zuerst mal wieder beiseite, obwohl ich seitdem immer wieder mal einen Blick im Internet (www.calmont-klettersteig.com) riskiert hatte. .
Und heute kamen dann gleich ein paar Umstände zusammen: Meine armseligen Weinvorräte - die Bestände des roten Traubensaftes (den die Kids sich im Liter ´reinziehen würden, wenn ich sie ließe) nahmen sich ebenfalls erbärmlich aus. Zudem hatte meine Frau Mama schon vor geraumer Zeit etwas in der Richtung verlauten lassen, dass sie gerne noch mal einen Abstecher bei Amlingers machen wollte, ebenfalls um ihren Weinkeller wieder aufzufüllen. Eine gerade noch brauchbare bis leicht pessimistisch angehauchte Wettervorhersage für den Sonntag rundeten das Bild ab. Denn man soll - so sagte man mir - den Calmont nicht bei allzu hohen Temperaturen unter die Stiefel nehmen, da man sonst in der Hitze des Weinbergschiefers ruck-zuck einen weichen Keks bekäme. .
Fehlte nur noch das Überzeugen der Kids zu einer sonntäglichen Wanderung. Zu meiner großen Überraschung erntete ich bereits im ersten Anlauf vollste Zustimmung - kein Wunder, ich hatte die beiden mit entsprechendem Bildmaterial und einer kurzen Beschreibung was sie dort erwarten würde geködert. Erwachsene haben ja sooo einen grundlegend verdorbenen Character, dafür aber auch, die nicht immer dankbare Aufgabe, den Nachwuchs altersgerecht zu bespassen. Ich denke sie werden mir, auch in den kommenden Jahren, den einen oder anderen gelegentlich angewandten psychologischen Kunstgriff verzeihen. .
Nachdem wir den Wagen unterhalb der Eisenbahnbrücke bei Ediger-Eller geparkt hatten stiegen wir über einen schmalen Schieferpfad auf in Richtung Klettersteig. Der Plan lautete, dass wir uns zuerst bis zum Calmont Höhenweg vorarbeiten. Danach wollten wir uns zum anderen Ende des Klettersteigs begeben um dort anhand der Wetterlage kurzfristig zu entscheiden, ob wir das Unterfangen – die eigentliche Klettersteigbegehung - wagen sollten. Doch zunächst sollte ich meiner ersten Prüfung des Tages gegenüber treten ….
Der Aufstieg zum Calmont Höhenweg umfasst etwas mehr als 300 Höhenmeter, die sich allerdings nicht über zwei Kilometer verteilen, sondern eher über gefühlte 200 Meter. Bei diesem Anstieg zeigten mir meine beiden Mädels (8 und 11 Jahre) auf sehr eindrucksvolle Weise, was eine Wander-Harke ist. Es mag an meinem fast 30 Jahre währenden Nikotinmissbrauch (dem ich im vergangenen März erst ein Ende gesetzt hatte) oder an Form und Gewicht meiner Rettungsringe oder aber einfach an schlechtem Karma liegen – obwohl ich viel unterwegs bin (auf Schusters Rappen, versteht sich) laufen die beiden mich an solchen Hängen immer wieder in Grund und Boden.
Es ist deprimierend! Trotzdem habe ich tapfer mitgehalten und mir nichts anmerken lassen. Mein Puls lag dabei ganz locker oberhalb der 170er Marke. Oben angekommen trafen wir auf ein Ehepaar, welches sich in der kleinen Schutzhütte zu einer Rast mit Traumaussicht niedergelassen hatten. Wir kamen ins Gespräch und die Frage seit wann wir denn unterwegs seien, beantwortete ich nach einem kurzen Check meines GPS-Trackers mit „ca. 10 Minuten“ worauf ich nur ungläubige Blicke erntete. Eine weitere Überprüfung der Zeiten des GPS verglichen mit meiner Kamera ergab eine korrigierte Zeit von ca. 20 Minuten. Die Reaktion der Wandererkollegen blieb indes die gleiche: „Wir brauchen immer so ca. 1 Stunde bis hier hoch.“. Ich verstehe ja dass mag ein wenig angeberisch geklungen haben, aber sowohl die zuerst gemessene und auch die gefühlte Zeit erschienen mir im ersten Moment schlüssig. Jetzt, nach der genaueren Prüfung der Aufnahmezeiten der Fotos auf meiner Kamera, muss ich feststellen, dass wir diesen Berg tatsächlich in 21 Minuten hoch „geflogen“ sind.
Es folgte ein leichter ca. 2 km langer Abschnitt über den Calmont Höhenweg der sich durch luftige, lichte Eichenwälder an den Einstieg in den Klettersteig oberhalb des Ortes Bremm schlängelt. Eine willkomme Erholungsmöglichkeit, und wir hatten noch gar nicht mit dem Klettern angefangen.
Am Calmont Gipfelkreuz gibt es eine kleine Aussichtsterasse. Bei günstigen Windverhältnissen kann man hier sehr schön den Gleitschirmfliegern zusehen, heute war allerdings keiner zu sehen. Stattdessen gab es hier einen kleinen Geocache zu heben. Die Mädels hatten die kleine Dose schnell gefunden, routiniert gegen unerwünschte Beobachter abgeschirmt geloggt und wieder versteckt. Dann machten wir uns an den Abstieg zum Anfang des Klettersteiges.
Nachdem wir zuerst einmal ca. 150 der vorher mühsam errungenen Höhenmeter wieder an die Schwerkraft abgegeben hatten ging es dann quer in die alten Weinberge des Calmont. Gleich zu Beginn erwartete uns eine respekteinflößende Fels-Drahtseil-Leiter-Kombination. Nun habe ich ja ein etwas seltsames Verhältnis zur Höhe und der damit gelegentlich verbundenen Angst. Normalerweise fühle ich mich sicher, solange ich festen Boden unter den Füssen habe und auf meine Trittsicherheit vertrauen kann. Gähnt vor mir allerdings der Abgrund bewegt sich mein Gemütszustand irgendwo zwischen einem Nibelungen-Siegfried und klassischer Heulsuse. Was konkret eintritt, kann ich vorher nie abschätzen. Dabei habe ich – glaube ich jedenfalls – keine richtige Höhenangst, sondern eher so was wie Höhenrespekt, da ich bislang nie vor Angst erstarrt bin und nicht mehr weiterkonnte. Nach der ersten Passage dachte ich jedenfalls: „das kann ja heiter werden“. Im weiteren Verlauf war aber alles easy. Offenbar gewöhnt man sich doch recht schnell an solcherart veränderte Umstände.
Die Kids indes hatten 100% Kirmes! Ich musste sie – oder fühlte mich jedenfalls dazu genötigt – alle zehn Meter zu Besonnenheit und Konzentration ermahnen. Durch meine häufig stattfindenden Eingaben, die meist mit einem lapidaren „ja ja!“ quittiert wurden (Eltern wissen genau was das tatsächlich heisst :-) ließen die beiden sich jedoch den Spass in keinster Weise nehmen und kraxelten was das Zeug hielt. Zu meinem grossen Erstaunen gab es nicht das geringste Gezänk über die sonst gängigen Reizthemen wie „Ich gehe zuerst!“, „Nein ich!“, „Du warst aber schon die ganze Zeit …!“ „Papa, Hannah hat …. Lisa will immer …“. Stattdessen halfen die beiden sich wie eine eingespielte Seilschaft in der Eiger Nordwand über die verschiedenen Kletterpassagen hinweg. Rrrrespekt, meine Damen! Wenn´s ´drauf ankommt, kann man sich auf Euch verlassen! .
Ich hätte eigentlich gerne noch viel mehr Fotos gemacht. Leider hatte ich bis zuletzt nicht die nötige Zeit und Muße mich dem Ablichten der tollen Passagen und der allgegenwärtigen, grandiosen Landschaft zu widmen. Alle zehn Meter gab es etwas Neues zu entdecken, und obwohl die Kids sehr konzentriert, sicher und entspannt kletterten, konnte ich nicht aus meiner Haut und habe bei jeder kleinen Schwierigkeit mit „guten“ Ratschlägen unterstützt. Die Kids haben´s gelassen ertragen und ich musste mir erst gegen Ende Sätze á la „Papa, Du kannst auch hier an der Seite ´runterklettern. Da ist so´n kleiner Weg!“ anhören. .
Ungefähr ab der Hälfte des Klettersteiges, für den wir im Gesamten ungefähr zwei Stunden brauchten, merkte ich dann einen weiteren Unterschied zu meinen deutlich jüngeren Wandergenossen. Das ständige Auf und Ab forderte seinen Tribut was sich durch ein leichtes Ziehen in den Waden bemerkbar machte. Besonders anstrengend empfinde ich immer das Vermeiden von zu hartem Landen bei tief absteigenden Schritten. Das braucht enorm viel Kraft in der Haltephase und führt zu vorzeitiger Ermüdung der Beinmuskulatur. Während die beiden Bergziegen immer noch bester Laune durch die Weinberge kraxelten, musste Herr Papa so langsam an einen schonenderen Umgang mit den Resourcen denken. .
Gott sei Dank erreichten wir bald eine Aussichtsplattform mit einem kleinen Amphitheater welches genügend Platz bot für eine kurze Rast. Platz ist deswegen auf dem Klettersteig so wertvoll, weil ständig andere Wanderer entgegenkommen und man längst nicht an allen Stellen aneinander vorbei gehen kann. Überhaupt war der Klettersteig heute ähnlich befahren wie die A3 zwischen Dreieck Heumar und Leverkusen. Da ist natürlich maßlos übertrieben und rührt ´wohl viel eher daher, dass wir den Klettersteig entgegen der Hauptrichtung gegangen sind. Hier erledigten wir, neben Aufnahme von fester und flüssiger Nahrung, die restlichen Pflichtaufgaben: Vorbereitungen zum Loggen eines Eartch-Cache treffen, Anfertigung eines adäquaten Erinnerungsfotos, etc. Zusätzlich versuchten sich die Kids im Fangen von Eidechsen. Sogar erfolgreich, was ich nie für möglich gehalten hätte. Die auserwählte Eidechse verlor dabei neben ihrem Ruf als erfolgreiches Fluchttier auch noch ihren Schwanz. Das tat mir natürlich sehr leid und ich musste meinen Unmut darüber in einer kurzen Belehrung über den respektvollen Umgang mit Lebewesen aller Art kundtun. .
Nach insgesamt 4 Stunden erreichten wir die Schutzütte oberhalb des Bahnhofs und trugen uns noch in das dort ausgelegte Gästebuch ein. Danach fehlten uns noch ein paar hundert Meter den Berg hinab zu unserm Auto. Der Tag war damit fast perfekt. Nach einem leckeren Mittagessen in Bremm konnten wir den Tag beschließen und uns auf die Heimreise machen. .
Wie üblich gibt´s auch wieder Fotos. Aus den o.g. Gründen sind es diesmal allerdings weniger als sonst.
Orientierung ist das halbe Leben
Damit Ihr ungefähr einsortieren könnt wo sich das folgende räumlich abgespielt hat hier eine kleine Übersicht über die Lage und Streckenführung des Calmont Höhenweg (oberer Teil) und Klettersteig (unterer Teil)
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Tatendrang
Ich darf mich, glaube ich, mittlerweile einen gut konditionierten Wanderer schimpfen: alle zwei Wochen mindestens eine längere Wanderung und an den anderen Wochenenden viel Geocaching. Dazu noch morgendliches Joggen ... zumindest seitdem ich im März diesen Jahres den Fluppen abgeschworen habe. Allerdings: meine Energie und Ausdauer sind ein Dreck gegen das was meine beiden Kids zu entfesseln wissen, wenn sie eine interessante Tour vor Augen haben. Lisa hat hier zudem noch ein interessantes Schild entdeckt, wodurch ihr läuferischer Ehrgeiz noch ein wenig mehr angestachelt wurde, nämlich ...
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Thrill
... den Weg zur "Todesangst Fahne" :-) ... den wir aber ausgelassen haben da wir auf dem Hinweg dachten, wir würden auf dem Rückweg sowieso da vorbei kommen. Nun, so kann man sich irren.
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Kunst
Normalerweise sind der Autofokus meiner Nikon D60 und ich die allerbesten Freunde und er erweist mir immer tadellose Dienste. Irgendwas muss ihn heute aber vergrätzt haben, wie sonst wäre auf diesem Bild zu erklären, dass er lieber auf Felsen und Gras im Vordergrund scharf stellt, als auf die in die Ferne blickenden Wanderer. Trotzdem wird auch aus so was manchmal ein stimmungsvolles Bild. Tja, soll er nur seine Freude daran haben mich zu foppen - was Kunst ist oder nicht, bestimme ich selber!
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Geocaching
Die fabulösen Adleraugen beim konspirativen Wieder-Verstecken einer Cachedose unter verstärktem Muggelaufkommen nach dem Loggen. Wer jetzt nur Bahnhof verstanden hat dem sei diese informative Seite (http://www.geocaching.de) empfohlen. 5m links von dieser Szenerie saß rund ein Dutzend ahnungslose Wanderer die sich dem gnadenlos schönen Ausblick über die Moselschleife hingaben.
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Panorama
Oh! Panorama gab´s natürlich auch an jeder dritten Ecke. Ich möchte Euch nicht langweilen, darum habe ich es für heute bei zwei 180°-Shots belassen. Hier ist der erste der einen tollen Blick über Ediger-Eller (links, an der Eisenbahnbrücke), Bremm (halbrechts) und Neef (mittig, hinten) bietet.
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Von jetzt an ging´s bergab
Aprospos Klettersteig (hier kurz vor dem Einstieg): da ging´s stellenweise teuflisch steil ´runter und das meistens auch noch ziemlich weit.
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Panorama II
Ein ähnliches Panorama wie vorhin, nur ca. zwei Kilometer weiter südwestlich aufgenommen.
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Klettersteig
Eine der schwierigsten Stellen des Klettersteigs. Hier musste man sich gut 20m über schroff abfallende Felsen an einem Drahtseil entlanghangeln. Bei weitem nicht alpin, aber wenn man´s nicht gewohnt ist, muß man sich schon ein Herz fassen. Die Kids hatten natürlich 100% Kirmes angesichts dieses Naturspielplatzes mit Nervenkitzel ...
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Gipfelstürmer
... wie man hier an den beherzt ausgreifenden Bewegungen sehen kann. Das war übrigens heute meistens meine Perspektive, einmal weil ich das Ganze aus dem Hintergrund sichern wollte (was für eine Illusion!) und zweitens weil mich die zwei heute definitiv "platt" gerannt haben :-)
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Spiritualität
Anstelle salbungsvoller Worte, die man ja manchmal auf solchen Gedenk- und Gebetsstätten findet hat es hier mal endlich jemand ganz knapp und simpel (oder schlicht und ergreifend, wie mein alter Klassenlehrer immer sagte) auf den Punkt gebracht :-)
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Calmont
Hier gab´s neben einer herrlichen Aussicht (nein, ich spare mir jetzt das Panorama von dieser Stelle!) auch noch viele Infos für den geologisch interessierten Zeitgenossen. Ich lese sowas immer durch, kann mir aber (wahrscheinlich will ich das unterbewusst auch einfach gar nicht) nichts davon so richtig merken. Hier hat man sogar ein kleines Amphittheater in den Weinberg gebaut. Als Zuschauer war zu unserer kleinen, kurzen Privatvorstellung allerdings nur meine Nikon D60 anwesend, was sich als praktisch herausstellte, denn so konnten wir ein hübsches Erinnerungsfoto mit nach Hause nehmen.
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Rebenslalom
Kurz vor Schluss gab´s noch ein wenig Slalom durch die Reben. Allerdings waren die Tore alle irgendwie grün und nicht abwechselnd blau und rot so dass wir nicht wissen ob wir a) überhaupt von der richtigen Seite eingefahren sind, und b) nicht disqualifiziert wurden. Egal, wer braucht schon Medallien ...
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