Dienstag, 23. Juli 2013

Rund um Loch Affric

Nachdem wir uns einen Tag in unserem Cottage in der Nähe von Inverness eingelebt hatten, war das gelangweilte Murren unserer frisch geputzten und gewachsten Wanderstiefel, die auf ihren ersten Einsatz in den schottischen Highlands warteten, nicht mehr zu überhören. Am ersten Tag nach unserer sehr strapaziösen Anreise mit dem Auto (glatte 24 Stunden „on the road“, weil wir nach der letzten, sehr kraftzehrenden Arbeitswoche unsere nächtliche Fahrt immer wieder zugunsten von Ruhe- und Schlafpausen unterbrechen mussten) waren wir zwar schon ein paar Kilometer entlang des River Beauly spaziert, dies allerdings in Sneakers und Shorts. Für eine erste, ausführliche Begehung des Wanderlandes hatten wir uns eine 18 Kilometer lange Tour rund um Loch Affric ausgesucht. Das gleichnamige Tal, Glen Affric, liegt nur eine knappe Autostunde von unserem Stützpunkt Erchless Castle entfernt und gehört für Wanderer in Schottland quasi zum Standardprogramm.

Nach einem ausgiebigen Frühstück ging es los in Richtung Südwesten. Bald schon konnten wir unsere erst kürzlich erworbenen Linksfahr-Erfahrungen erweitern um die für die Highlands nicht unüblichen „Single track roads with passing places“. Zuerst kam uns Bewohnern des Autolandes Deutschland das etwas unheimlich vor, aber schon nach kurzer Zeit hatten wir uns daran gewöhnt, dass hinter jeder Biegung (und die Kurven dieser Straßen sind wirklich unübersichtlich) der Tod lauern könnte. Erstaunlicherweise ging aber alles gut, zum Einen weil auf der Straße durch den Glen Affric kaum Gegenverkehr herrschte, zum Anderen weil die Schotten offenbar sehr freundliche Zeitgenossen sind, die auch schon einmal über kleinere Fehler von ungeübten Touristen gutwillig hinwegsehen. Man grüßt sich freundlich, während man aufmerksam den schwindenden Platz zwischen dem eigenen und dem gegnerischen rechten Außenspiegel beobachtet, und fährt munter und erleichtert weiter seines Weges.

Das Wetter war für schottische Verhältnisse ausgesprochen gut. Schon seit dem Tag unsere Ankunft erreichten die Tageshöchsttemperaturen locker 25 Grad - Celsius, versteht sich, und auch während unserer Anfahrt zum Wanderparkplatz wurden wir ununterbrochen von der Sonne beschienen. Am Parkplatz von Loch Affric angekommen, wurden wir sogleich zahlreich und freudig begrüßt, und zwar von den Midges. Diese lästigen kleinen Biester, in Deutschland wohl eher unter dem Namen Pferdefliegen oder Bremsen bekannt, wurden für weite Strecken der heutigen Wanderung unsere Begleiter. Wir versuchten es mit Eukalyptusöl auf den Unterarmen, aber das störte die Tierchen fast gar nicht. Also blieb uns nichts anderes übrig, als die Regenjacken aus dem Rucksack zu kramen – bei der herrschenden Außentemperatur keine erbauliche Perspektive. Ich für meinen Teil, ließ die Jacke wo sie war und beschloss die Plagegeister einfach zu ignorieren und den Widrigkeiten wie ein Highlander zu trotzen, was mir streckenweise tatsächlich gelang, verfluchte mich aber insgeheim dafür, nicht frühzeitig geeignete Abwehrmaßnahmen eingeleitet zu haben. Die juckenden, kleinen Beulen auf meinen Unterarmen, erinnerten mich noch tagelang an meine Heldentat. Die Kids nahmen es irgendwann sportlich, zählten die beim Bissversuch erlegten Midges und konnten bald eine eindrucksvolle Bilanz vorweisen, die das tapfere Schneiderlein vor Neid hätte erblassen lassen.

Glen Affric mit seinen beiden großen Seen Loch Beinn a’Mheadhain im Osten und Loch Affric im Westen ist ein Naturpark der an Vielfalt kaum zu überbieten ist. Während der Osten überwiegend dicht mit Kiefern bewaldet ist, besticht der Westen durch eine für die Highlands typische, karge Heidelandschaft. Um den kompletten Glen gründlich zu erkunden benötigt man bestimmt mehrere Tage, wir haben im Netz allerdings nur den GPX-Track für die Rundtour um Loch Affric gefunden. Die Tour wartet nicht mit alpinen Schwierigkeiten auf - insgesamt kommen auf der Runde nur etwa 350 Höhenmeter Anstiege zusammen - dafür aber mit wunderschönen, atemberaubenden Ausblicken auf den See und über die wilden Heidewiesen. Jetzt im Hochsommer stehen diese überall in voller Blüte und es gibt die unterschiedlichsten Pflanzen zu entdecken. Gottseidank ließ die Midges-Plage nach einiger Zeit ein wenig nach, vor allem wegen des leicht auffrischenden Windes – bei Wind fliegen die Viecher nämlich nicht so gerne und bleiben lieber am Boden. So konnten wir uns zu einer längeren Rast am Wegesrand niederlassen und die eindrucksvolle Atmosphäre genießen. Völlig ungewöhnlich war für uns auch die völlige Stille die durch keinerlei Zivilisationslärm wie Autos oder Flugzeuge gestört wurde, vorausgesetzt wir erwischten eine Sprechpause unserer Kids.

Am westlichen Ende des Loch Affric angekommen, kassierten wir einen kurzen Regenschauer, der aber nicht wirklich unangenehm war. Hier ist landschaftlich der schönste Abschnitt der Tour zu finden. Der weite Blick in die angrenzenden Täler im Westen, die sanft ansteigenden, felsigen Hänge der Berge, das allgegenwärtige Wasser in Form des River Affric und einiger kleiner Nachbarseen sind einfach unbeschreiblich. Meine kläglichen Versuche, die Szenerie fotografisch einzufangen könnt Ihr wie immer unten in der Bildergalerie sehen.

Der Rückweg auf der südlichen Seite des Loch Affric führt über einen breiten, gut ausgebauten, aber dennoch steinigen Weg. Hier gibt es sehr viele bizarr geformte Bäume zu bewundern. Von der Mitte dieses Weges hat man einen guten Blick auf den 1036 Meter hohen Sgurr Na Lapaich auf der gegenüberliegenden Seite, dessen Gipfel sich heute allerdings meistens in Wolken hüllte. Die Heidewiesen verschwanden allmählich und wurden von ausgedehnten Bereichen mit Farnbewuchs abgelöst. Auch Birken kommen häufig vor, sind allerdings an Wuchshöhe und Blattgröße viel kleiner als unsere deutschen Exemplare.

Eine weitere kurze Rast zwischen zwei kleinen Hügeln links und rechts des Weges bot eine schöne Sicht auf einen kleinen, versteckt liegenden Nachbarsee. Hier bekamen wir auch einen ganz kleinen ersten Vorgeschmack welche anderen Plagegeister die Highlands im Hochsommer noch in petto haben. Bereits nach wenigen Minuten Stillstand fanden sich in unserer Nähe viele winzig kleine schwarze Mücken ein die sich, freilich ohne vorher zu fragen, einfach auf die unbedeckten Hautstellen setzten. Also ging es weiter in Richtung Ausgangspunkt der Wanderung. Auf den letzten drei Kilometern kam die Sonne wieder zum Vorschein und zauberte neben einem traumhaften Licht auf den umliegenden Hügeln und Wäldern auch noch eine leichte Schwüle hervor. Da der Wind sich mittlerweile wieder gelegt hatte, kamen mit der Sonne auch unsere eingangs erwähnten Plagegeister wieder. Wieder hieß es die Arme bedeckt halten oder sich die Midges durch geschicktes Wedeln und Schlagen mit den Armen vom Leibe zu halten. Die Kids waren bei der Zählung der erlegten Exemplare bereits jenseits der fünfziger Marke angekommen und es sollten noch viele folgen.

Gerne hätten wir, am Parkplatz angekommen, noch ein wenig mehr Zeit dort verbracht um einen langen, ruhigen Blick über die wunderschöne Landschaft schweifen zu lassen, aber die letzten Minuten vor der Abfahrt waren von strategischen Manövern zur Vermeidung unnötiger Bremsenbisse geprägt, in anderen Worten: wie steigen fünf Leute in ein Auto ein, ohne sich unnötig viele fliegende, blinde Passagiere mit an Bord zu holen.

Den Track zum Nachwandern findet Ihr wieder bei www.gpsies.com. Wenn uns auch die Midges arg geplagt haben, kann ich diese Tour jedem Schottlandbesucher nur allerwärmstens empfehlen - es soll ja auch gute Abwehrmittel gegen die Plagegeister geben (der Geheimtipp der Fliegenfischer ist übrigens die Bodylotion "Skin so soft" von Avon). Unsere nächste Tour wird uns auf die hohen Berge der Highlands führen, und zwar auf einen der sog. Munros, die eine Höhe von mindestens 3000 ft. Haben und von denen es in den Highlands 284 Stück gibt – genug Auswahl ist also vorhanden.

Wie immer wünsche ich allen arbeitenden oder daheim gebliebenen, eine entspannte Woche.
Stay tuned!
k0erschgen




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