Montag, 14. Juli 2014

Munro-Premiere: Meall Corranaich und Bein Ghlas

Unser zweiter Urlaubstag in Perthshire, Scotland. Die Wettervorhersage ist vielversprechend: „21°C partly cloudy with slight chance of rain“. Viel mehr kann man in den Highlands vermutlich nicht erwarten. Der erste Blick am Morgen aus dem Fenster zeigt einen strahlend blauen Himmel. Die beiden möglichen Touren für den heutigen Tag (Meall nan Tarmachan 1044m, oder Ben Lawers/Beinn Ghlas 1204m – hier der Link zu unserem GPS-Track) sind schon lange im GPS-Tracker gespeichert. Die Aussicht auf klares Wetter legt uns nahe, den Blick über die Highlands von einer möglichst hohen Warte aus zu genießen – passt schon! Nach dem Frühstück sieht es aber zunächst so aus, als würde das Wetter doch vielleicht noch kippen, aber die Wolken ziehen schnell und relativ hoch, unterwandert nur von gelegentlichen Hochnebelfetzen. Erst mal losfahren, dann werden wir es schon sehen.

Auf dem Ben Lawers Car Park an der Nordseite des Loch Tay ist schon einiges los, eine einsame Wanderung wird das wohl eher nicht. Stattdessen werden wir recht vielen anderen Wanderern begegnen und auch mit dem einen oder anderen einen kleinen Schnack halten. Kräftiger Wind zerzaust die Haare, wogende Gräser auf den Hangwiesen und dennoch überwiegend Sonnenschein mit Schönwetterwolken, auch wenn die Gipfel der umliegenden Munros noch in Wattenebel gehüllt sind.

Der Pfad führt uns leicht aber stetig aufwärts. Zuerst durch das „Ben Lawers Nature Reservoir“ am Fuß des Beinn Ghlas. Hohe Zäune um das Biotop verhindern hier, dass Schafe und Rotwild den jungen Baum- und Strauchtrieben den Garaus machen. So konnte hier ungehindert eine Vielzahl an Pflanzen gedeihen. Der kristallklare Bach der das Areal längs mit einem tiefen Einschnitt in zwei Teile teilt murmelt friedlich vor sich hin – im Frühjahr oder Herbst sieht das sicher anders aus.


Am Ende des Nature Reservoirs markiert ein Haufen von größeren Felsbrocken eine Weggabelung. Wir entscheiden uns gegen den direkten Aufstieg auf den Ridge zum Beinn Ghlas, und für den langsam und stetig ansteigenden Pfad westlich des Massivs. Der steinige dafür aber trockene Weg führt uns durch ein breites Tal mit halbrundem Profil. Saftige Wildwiesen auf denen friedlich wiederkäuende Schafe in kleinen Gruppen liegen und den lieben Herrgott auf ihre Weise einen guten Mann sein lassen. Zur Linken blitzt hin und wieder der Gipfel des 1069 Meter hohen Meall Corranaich durch die Nebelfetzen. So steil sieht der gar nicht aus. In einem Internetforum hatte ein Wanderkollege davon gesprochen, den Gipfel in 25 Minuten erstürmt zu haben, ob das wohl geht?

Bei ca. 860 Höhenmetern erreichen wir nach knapp 2 Stunden einen breiten Sattel. Von hier aus genießen wir den traumhaften Ausblick nach Norden in Richtung Glen Lyon. Der Gipfel des Meall Corranaich lockt. Meine Liebste hat keine rechte Lust auf sportliche Herausforderung, aber die Kids scharren schon mit den Hufen und wollen den Gipfelruhm. Der Plan ist schnell entwickelt: 25 Minuten ´rauf, Gipfelfoto knipsen, 25 Minuten ´runter – damit die Zurückgebliebene nicht so lange warten muss. Und dann folgt umgehend und kompromisslos die Umsetzung, mit zügigen, schnellen Schritten. Das kurze, steile erste Stück erfordert ein wenig Klettern, aber keine nennenswerte Handarbeit. Die Kids geben so richtig Gas und ich hampele hintendrein. Nach 11 Minuten haben wir knapp die Hälfte erreicht. Der Wind pfeift ganz ordentlich hier oben. Meine Kondition wird wohl halten, aber trotzdem ist alle zehn Höhenmeter ein kurzes Stretching (oder sagen wir es ehrlich: „Stehenbleiben“) nötig um die in den letzten Monaten wenig trainierte Beinmuskulatur vor dem vorzeitigen Kollaps zu bewahren. Zehn Minuten später stehen wir auf dem Gipfel. Leichter Nebel umwabert uns, trotzdem ausreichend Sicht für ein Gipfel-Selfie. Die Zeit ist viel zu kurz um angemessen zu würdigen, dass wir gerade unseren ersten Munro bestiegen haben. Wenigstens haben wir während des Abstiegs noch genügend Zeit ein paar luftige Fotos zu schießen bevor wir plangemäß 50 Minuten nach dem Start wieder auf dem Sattel stehen.

Der Pfad führt uns nun in einem weiten Bogen auf den Ridge zwischen Ben Lawers und Beinn Ghlas. Traumaussicht Richtung Süden auf Loch Tay und Zeit für eine kurze Rast. Die Beine sind schon ziemlich schwer und wir entschließen uns Ben Lawers auszulassen. Beinn Ghlas soll aber in jedem Fall unser zweiter Munro für heute werden. Während des Aufstiegs stehen meine Oberschenkel in Nähe der Knie öfters kurz vor dem Krampf – wieso musste ich auch mit jungen Bergziegen um die Wette rennen - aber glücklicherweise geht trotzdem immer noch ein bisschen mehr. Auf dem Gipfel des Beinn Ghlas zeigt sich der Tag dann von seiner allerschönsten Seite. Nur die Spitze des Ben Lawers hat noch ein kleines Schlagsahnehäubchen, fast alle anderen Gipfel ringsum zeigen sich in strahlendem Sonnenlicht. Hier oben ist es erstaunlicherweise fast windstill und die Sicht einfach überwältigend. Beste Bedingungen für ein 360° Panorama.

Der knapp 700 Höhenmeter umfassende Abstieg zum Parkplatz über den steinigen Südgrat ist die erwartete Knochenmühle, am besten einfach ignorieren und die fantastischen Blicke über die Highlands genießen – auch wenn jedes talwärtige Aufsetzen der Füße ein wenig in den Knien drückt. Verrückterweise ist der Wind hier wieder ausgesprochen stark, was so gar nicht zu der Flaute auf dem Gipfel passen will, aber je näher wir dem Tal kommen, desto mehr legt sich auch der Wind und die Kraft der Sonne wird stärker spürbar – ganz schön warm hier unten. Ein leichter Sonnenbrand sorgt bereits für eine frische Gesichtsfarbe und verdeckt den Anschein, dass wir alle doch schon recht müde und ein wenig erschöpft sind. Hoffentlich bleibt uns noch genügend Kraft um unsere Nationalelf am Abend beim WM-Finale in Rio ordentlich anzufeuern – natürlich nicht „in echt“ sondern vor der Glotze. Ein Sieg wäre schön, um diesen tollen Tag angemessen zu krönen.

Grüsse aus den Highlands und eine schöne Woche
stay tuned …
k0erschgen

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