Montag, 21. Juli 2014

Munrofieber: Tarmachan Ridge

In Schottland gibt es aktuell 282 Berge mit einer Höhe über 3000 Fuß – die Munros. Manche Menschen haben es sich zum Ziel gesetzt, auf allen diesen Gipfeln gewesen zu sein, und sind diesem Ziel in jahrelanger, ausdauernder Kleinarbeit schon recht nah gekommen, wie zum Beispiel mein ehemaliger Kollege Frank der auch fleißig zu diesem Thema bloggt.

Vor ein paar Tagen haben wir unsere ersten beiden Munros auf die Liste gesetzt und heute soll noch der Meall nan Tarmachan folgen. Das wären dann in zwei Wochen Schottlandurlaub insgesamt drei Munros. Bei der Quote haben wir dann also nur noch schlappe 93 Jahre vor uns – hm … könnte vielleicht ein bisschen knapp werden. Wer übrigens neugierig ist, wie die gälischen Namen der Berge ausgesprochen werden, der kann sich hier einen Eindruck verschaffen.

Unser Auto steht wieder am Ben Lawers car park, von wo wir schon bei der ersten Tour gestartet sind. Die Sonne strahlt von einem locker bewölkten Himmel bei 23°C. Dort wo kaum Wind geht ist es schon ziemlich schwül – wen wundert´s, ist ja auch schon 12 Uhr. Egal, weiter oben wird es schon noch kühler werden.

Die Route geht nach einem zunächst recht flachen Vorgeplänkel zügig in eine konstant straffe Steigung über. Der luftige Wind will sich noch nicht so recht einstellen, also ist erstmal Schwitzen angesagt. Nach gut anderthalb Stunden haben wir 800 ü.N.N. erreicht und machen zuerst mal eine kurze Rast. Von hier lassen wir den Blick weit schweifen über die benachbarten Berge Meall Corranaich, Beinn Ghlas und Ben Lawers, und hinab ins Tal auf Loch Tay und den kleinen Stausee Lochan na Lairige.



Dann wird es noch ein wenig steiler. Ein kleiner Nebengipfel ist zu überwinden und dann folgt der Endspurt auf den Meall nan Tarmachan. Hier oben treffen wir dann auch viele der Insassen der auf dem Parkplatz abgestellten Autos. Die Kids können es wieder nicht erwarten und rennen schon mal vor in Richtung Gipfel, während wir es, leicht gebremst durch unsere Kondition und einen kurzen Schuhwechsel, langsamer angehen lassen. Die Wolken haben sich ein bisschen verdichtet, jedenfalls ist es jetzt nicht mehr ganz so warm.

Den Gipfel in 1044 Metern Höhe erreichen wir gegen 15 Uhr. Der Ausblick ist wie erwartet toll, wenn auch ein wenig Dunst die Fernsicht dämpft. Für ein 360°-Panorama-Foto reicht es leider nicht, dazu ist auf dem Gipfel einfach zu viel los, aber der Blick auf den nächsten Teil des Weges kann ich noch in einer etwas ruhigeren Phase einfangen.

Auf dem weiteren Weg geben wir ein paar Höhenmeter ab in Richtung des ersten Nebengipfels Meall Garbh. Die markante, steile Spitze würde mit ihren 1024 Metern ebenfalls zu den Munros zählen, wenn Sie denn einen eigenen Anstieg von mindestens 200 Metern hätte. Es sind leider nur ca. 50 und deswegen zählt Meall Garbh lediglich zu den 510 sog. „Tops“ in Schottland. Das macht aber gar nichts, die Aussicht ist ebenso schön von dort oben. Der Ausblick auf den weiteren Verlauf des Ridge lässt erahnen, dass es jetzt ein wenig alpiner wird. Ein Trampelpfad von einem halben Meter Breite führt in luftiger Höhe über den Grat, der an beiden Seiten ca. 45° abfällt. Nicht wirklich gefährlich, aber die ersten paar Schritte fühlen sich immer ein wenig seltsam an.



Richtig spaßig wird es aber dann beim Abstieg den man nach kurzer Wegstrecke erreicht. Auf den nächsten zwanzig Metern ist Klettern angesagt – oder wie die Kategorisierung des Scottish Mountaineering Club besagt „moderate scrambling“. Das bedeutet, dass man zwar abstürzen kann, aber ohne fatale Folgen. Na denn …. Glücklicherweise ist es ziemlich trocken und der Fels griffig. Das Dumme ist nur: von oben sieht diese Passage viel schwerer und gefährlicher aus als sie eigentlich ist. Die Folge ist heftiges Nervenflattern bei meiner ältesten Tochter. Mit vielen beruhigenden und Mut machenden Worten lotse ich sie Stück für Stück sicher auf ebeneres Terrain. Danach ist sie sichtlich stolz, dass sie diesen Punkt und auch sich selber überwunden hat. Als wir uns die ganze Sache dann anschließend noch einmal von unten anschauen stellen wir fest, dass die Hangneigung an der Kletterstelle höchstens 60° beträgt.

Eigentlich ginge es jetzt nach einem etwas tiefer gelegenen Sattel wieder hoch auf die nächsten beiden Tops Beinn an Eachan und Creag na Caillich, aber die beiden schenken wir uns wegen der doch schon etwas vorgerückten Stunde und entscheiden uns stattdessen für den direkten Weg über den sanft abfallen Hang nach Süden. Während wir uns vorsichtig einen Weg durch die stellenweise klatschnasse Moorwiese suchen stoßen wir auf einen kleinen Bach, der sich ein tiefes Bett in den Hang geschnitten hat. Diese Ecke ist einfach idyllisch, alle zehn Meter gibt es einen kleinen Wasserfall, ruhige kleine Tümpel mit kristallklarem Wasser oder quirlige Ströme um große Felsbrocken. Die Sonne hat inzwischen wieder das Regiment übernommen und wir ahnen, dass wir uns schon wieder einen Sonnenbrand einfangen werden.

An einem etwas größeren, flachen Tümpel obsiegt dann letztlich die Verlockung die müden Füße in das kalte, klare Wasser des Bachs zu stecken – eine absolute Wohltat. Wir vertrödeln hier locker anderthalb Stunden, aber hey, Was soll´s? Ist ja schließlich Urlaub.



Die angenehme Rast wartet aber auch mit einer ordentlichen Schrecksekunde auf. Ich trage meine Kamera immer an einer sog. Colt-Tasche am Gürtel. Dort ist sie immer griffbereit und gut geschützt. Für das Fußbad im Bach nehme ich die Tasche allerdings ab und platziere sie an einer kleinen Graskuhle am Hang. Leider ist die Kuhle dann wohl doch etwas zu klein! Während ich noch nach einer guten Stelle suche um ins Wasser zu gelangen, hat meine Kameratasche diese Überlegung offenbar schon hinter sich. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie sie zunächst ins Rutschen, und danach ins Rollen gerät. Laut fluchend stolpere und hechte ich die wenigen Meter hinterher. Meine Bewegungen fühlen sich quälend langsam an. Mit einem leisen Klatschen trifft die Tasche auf der Wasseroberfläche auf. Gott sei Dank sind alle Reißverschlüsse zu, sodass die Luft im Inneren der Tasche eine knappe Sekunde lang für Auftrieb sorgt – gerade genug Zeit um die Tasche mit einem beherzten Griff zu packen und an Land zu ziehen. Uiuiui, das war knapp! Das wenige Wasser welches in die Kameratasche eingedrungen ist, hat lediglich ein paar Spritzer auf dem Gehäuse und eine kleine Pfütze am Boden, dort wo das Frontglas des Objektivs sitzt, hinterlassen. Ansonsten wäre dies hier vermutlich ein „Nur-Text-Blogartikel“ geworden und ich um viele Euronen ärmer.

Der Rest unseres Weges führt uns an einem verlassenen Steinbruch vorbei auf einem fest ausgebauten Feldweg über Wiesen langsam abwärts zum Ausgangspunkt unserer Wanderung. Die Wolken haben sich inzwischen fast völlig verflüchtigt und die Abendsonne brennt jetzt ungehindert auf uns nieder. Wie erwartet färbt sich die Haut allmählich rötlich. Beim nächsten Schottlandurlaub ist definitiv Sonnenschutzcreme angesagt!

Kurz vor Acht sind wir wieder am Auto nach einer nicht wirklich langen Strecke und auch die Anzahl der Höhenmeter halten sich sehr in Grenzen – hier findet Ihr die Aufzeichnung unseres Tracks. Trotzdem war das bisher die abwechslungsreichste und spannendste Tour unseres Schottlandurlaubs. Für den nächsten Tag ist aber jetzt mal ein bisschen relaxen angesagt.

Viele Grüße an allen Daheimgebliebenen.
Stay tuned!
k0erschgen

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