Donnerstag, 26. Juli 2012

Alpenwandern Teil 2 - Der Sturm auf den Aggenstein

Tag Nummero 3 des Allgäu-Urlaubs, also höchste Zeit sich einmal eine "richtige" Bergtour reinzuziehen. Nach der überwiegend abwärts führenden Wanderung durch die Höllentalklamm und dem Ausflug vom Vortag auf den höchsten Berg Deutschlands mit der österreichischen Zugspitzbahn (paradox, oder? Nein, denn von der deutschen Seite aus wäre das Ganze nochmal etliche Euronen teurer geworden) stand heute die Eroberung des Aggensteingipfels auf dem Plan. Der Aggenstein bringt, je nach Messung, 1996 m auf den Höhenmesser und es gibt zwei Hauptrouten hinauf: eine vom österreichischen Grän über das Füssener Jöchle und eine von Pfronten durch das wildromantische Tal des Plattenbachs über die 1790 Meter hoch gelegene Bad-Kissinger-Hütte des Alpenvereins mit einer Länge von rund 14 km. Diese letzte Variante sollte es werden, obwohl es von Grän aus 400 Höhenmeter weniger gewesen wären, aber die Anreise hätte noch mal gute 45 min. länger gedauert.

Der Ausgangspunkt der Tour liegt am Bahnhof Pfronten-Steinach direkt gegenüber der Talstation der Breitenbergbahn auf 830m ü.N.N. Wer fleißig mitgerechnet hat sollte demnach auf einen Gesamtanstieg von 1166 Höhenmetern kommen. Ein wenig Sorgen über das Gelingen der Expedition machte ich mir schon, denn obwohl ich überzeugt war, dass alle Teilnehmer die nötige Kondition für eine solche Tour mitbringen, wusste ich nicht, wie sich die Moral, insbesondere die der jüngeren Teilnehmer (meiner beiden Töchter, 9 und 12 Jahre alt, sowie des ebenfalls 12-jährige Sohnes meiner Liebsten) angesichts eines saftigen und steilen Anstiegs halten würde. Der Plan lautete also: sollte es während der Tour zu unüberwindbaren Motivationsproblemen kommen, würden wir wohl schlicht umkehren müssen.

Nach dem wir uns über einen Campingplatz an den Waldrand vorgearbeitet hatten, erwartete uns ein wirklich sehr anspruchsvoller, enger und holpriger, dafür aber wunderschön gelegener Pfad durch einen Fichtenwald entlang des Plattenbachs der absolut traumhafte Anblicke bot. Wir haben irgendwann aufgehört die schönsten Stellen zu zählen, aber dafür umso fleißiger die Kameraauslöser klicken lassen. Aber nicht nur der Bach, der immer mal wieder kleine Wasserfälle bildet, drängte sich als Hauptmotiv auf. So konnten wir unter anderem zwei Alpensalamander bestaunen die mit ihrer ganz eigentümlich tiefschwarzen Farbe wirklich toll aussehen.

Der Weg durch den Wald bewahrte uns sehr gut vor der inzwischen schon stärker brennenden Sonne – in der Wettervorhersage war schließlich die Rede gewesen von 26°C und mehr – und so konnten wir den steilen, schattigen Pfad ohne große Probleme hinter uns bringen. Oberhalb des Waldes ging es dann über sonnige, blumige Almwiesen weiter und wir bekamen schon mal einen kleinen Eindruck von den Temperaturen die uns vielleicht in den höheren Lagen erwarten sollten. Aber noch lag der Aufstieg zur Bad-Kissinger-Hütte unter einer großen Wolke im Schatten und wir hofften alle, dass sich dieser Zustand noch mindestens so lange halten würde, bis wir den größten Brocken geschafft hatten.

Und dann kam die Nagelprobe in Gestalt eines mehrere hundert Höhenmeter umfassenden, steilen Aufstiegs über einen schmalen, felsigen und mit Geröll übersäten Serpentinenpfad sehr alternativlos daher. Obwohl ich mich sonst nicht vor steilem Gelände ziere ging diese Aktion auch an mir nicht spurlos vorbei und ich musste mich auf einen gleichmäßigen, ruhigen Rhythmus konzentrieren um mich nicht vorzeitig zu verausgaben. Umso erstaunter war ich dann als ich sah wie die Kids sich in der gleichen Situation schlugen. Völlig ohne Murren, ganz im Gegenteil mit großem Elan, setzten sie zielstrebig einen Fuß vor den anderen, offenbar fest entschlossen sich den Ausblick vom Gipfel keinesfalls entgehen zu lassen. Bis auf ein wenig gutes Zureden und Bestätigen war keine Motivationshilfe notwendig – Rrrrrrrrespekt, meine Damen und Herren, das war ganz großes Kino! Ich bin nachhaltig beeindruckt.

Wenig später ließen wir es uns auf der Sonnenterrasse der Bad-Kissinger-Hütte bei leckeren Speckknödeln mit Kraut, Würsteln mit Brot, und zum Teil ebenso nahrhaften Getränken (mir hat noch niemals ein Weizenbier so lecker geschmeckt!) gut gehen, denn es galt ja noch, den Aggensteingipfel zu erklimmen, der auf den letzten 30 Höhenmetern nur über einen kleinen, kettengesicherten Klettersteig zu erreichen ist. Aber auch diese letzte Hürde war recht zügig genommen und wir konnten einen wirklich atemberaubenden Rundumblick bei recht passablem Fernblickwetter genießen, und uns natürlich auch in das Gipfelbuch eintragen.

Der Abstieg hatte es dann auch noch mal in sich, denn er führt über den „Langen Strich“ eine sehr lange, steile, geröllige Serpentinenstrecke, die ausdrücklich nur „für Geübte“ ausgezeichnet ist. Unten angekommen ging es über die Hochalm, mitten durch eine große, glückliche, glockentragende Herde Allgäuer Kühe zur Bergstation der Breitenbergbahn deren letzte Fahrt wir um 17:00 Uhr noch glücklich erwischten (sonst wären noch mal ein paar hundert Meter Abstieg fällig gewesen).

Was für ein traumhafter Tag! In den letzten Monaten jagt wirklich ein Wanderhighlight das andere und ich bin sehr gespannt wie sich demnächst so eine „einfache“ Mittelgebirgswanderung in der heimischen Eifel dagegen ausnehmen wird. Nachdem ich jetzt auch den Höhentest (ohne orthopädische Verwerfungen) erfolgreich bestanden habe, steht der Alpenüberquerung von Oberstdorf nach Meran, die ich diesen Sommer leider wegen Jobwechsel erst einmal knicken musste, im nächsten Jahr eigentlich nichts mehr im Wege. Man darf gespannt sein …

Einen schönen Sommer, Euch allen, auch wenn er ein wenig verregnet ist ...
k0erschgen




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